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  • AutorenbildDominique Pipal

Welches Männerbild wir stärken wollen … ?

Aktualisiert: 31. März 2022

„In a world of Putins, be a Selenskyj” las ich vor Kurzem in einem Posting, das vielfach gelikt wurde im Kontext anderer begeisterter, aber teilweise fragwürdiger Friedensappelle. Außerdem nehme ich diese heldenrühmenden Videobotschaften vom ukrainischen Präsidenten bei diversen Hilfs- und Solidaritätsveranstaltung wahr, die aus dessen Perspektive durchaus nachvollziehbar sind.

Doch sind das nun unsere einzigen männlichen Alternativen, nach denen es zu streben lohnt? Goliath oder David? Der gewaltvolle Eroberer oder der gewaltvolle Verteidiger? Mächtige Täterschaft oder wohl mindestens so machtvolle Opferbereitschaft, ja Aufopferung?


Als Ehemann und Vater von drei erwachsen werdenden Kindern, als Freund, berufstätiger Mann, einfach als Mensch erlebe ich meinen Alltag, der sich glücklicher Weise bisher nie im Krieg abspielte, in Grau- und Farbschattierungen, gekennzeichnet von vielfältiger Freude, aber auch ärgerlichen Konflikten, traurigen Schicksalsschlägen und diesen vielen größeren oder kleineren Herausforderungen. Die Lösungswege in manchen Situationen sind nicht immer einfach und manchmal stand ich ihnen auch machtlos gegenüber. Ich musste erst lernen mit dieser Hilflosigkeit umzugehen und tue es noch.


Auch in der gewaltpräventiven Beratungsarbeit, in der ich u. a. tätig bin, gilt es für die Männer (Anm.: ich arbeite vorwiegend mit Männern), die etwa gegenüber ihren Partnerinnen handgreiflich wurden, neben der Verantwortungsübernahme für die Tat, zu lernen, mit schwierigen, möglicherweise verletzenden Situationen, vielfältig gewaltfrei umzugehen. Zwar gelingt dies leider nicht jedem gleich und nachhaltig. Zu tief sitzen manchmal erlittene Wunden verknüpft mit destruktiven Handlungsmustern und inkarnierten schädlichen Männlichkeitsanforderungen. Die meisten Männer, die sich auf den Prozess einlassen, schaffen dies allerdings sehr wohl und die wenigsten finden gewalttätige Handlungsstrategien gut. Darüber hinaus sind die allermeisten Männer in Friedenszeiten nicht körperlich gewalttätig.


Deshalb bereitet es mir Sorgen, wenn nun wieder Bilder von Männern heroisiert werden, die in Schützengräben für ihr jeweiliges Vaterland kämpfen und sterben. Auf der einen wie auf der anderen Seite und dieser offensichtlich so reizvollen Täter-Opfer-Helden-Erzählung in gewaltvoller Weise gerecht werden (müssen).

Es macht mich betroffen mit welcher Begeisterung selbst bei Friedensveranstaltungen ein altes heldenhaftes Männerbild auflebt. Ein Bild von emotionslosen bewaffneten Soldaten, die mutig und stolz sich dem Feind entgegenstellen.

Der stählerne furchtlose Mann entsteigt gerade wieder den Superheldenfilmen, wie Will Smith bei der Oscargala dem Auditorium als schlagender Beschützer unserer Märchenprinzenfantasien und nähert sich wieder der Mitte unserer kollektiven Bewusstheit. Dass sich auch vermehrt bewaffnete Superheldinnen hinzugesellen, stimmt mich nicht hoffnungsfroher.


Ich erinnere mich in diesen Tagen öfters besonders an einen Mann, der vor vielen Jahren zu mir in die Männerberatungsstelle kam, mit dem Wunsch von Albträumen, Schlafstörungen, Alkoholismus und anderen körperlichen und seelischen Leiden erlöst zu werden.

Unter anderem hat er davon erzählt, wie im Jugoslawienkrieg ein Nachbar neben ihm von einem ehemaligen Freund erschossen wurde und von seinen ihn überkommenden Fantasien, diesen Nachbarn grausam zu rächen, obwohl er vom Sterben und Töten so was von genug hatte und sich so sehr nach Frieden und Ruhe sehnte.


Ein Mann, der im Krieg war und irgendwann dem Gräuel entfloh, der mir in seiner Verletzlichkeit, in seinem Schmerz, meine eigene Verletzlichkeit und Hilflosigkeit so was von aufgezeigt hat.

Diesen Mann habe ich als einen sehr mutigen Mann erlebt. Sein Mut, den er unter Tränen zeigte, in dem er sich seinen Ängsten stellte und seine Schattenseiten offenlegte, was ihm keineswegs leicht viel. Auch er ist in einer Kultur aufgewachsen, in der Verletzlichkeit keineswegs in ein starkes Männerbild passt. Wenn auch genauso unfreiwillig, wurde dieser Mann als er sich in seiner Verletzlichkeit zeigte, vom unfreiwilligen Soldaten zum menschlichen Helden.


Solange wir Menschen, historisch und bis heute vorzüglich männliche, zu Helden stilisieren, wenn sie sich bewaffnen, um für irgendeine Sache zu kämpfen und folglich andere töten, werden wir Samen für zukünftige Gewalt säen. In Wohnungen und auf Schlachtfeldern. Denn die Sache für die gekämpft wird, ist aus der jeweiligen eigenen Perspektive ja immer zunächst die gute.

Ob wir Menschen es irgendwann einmal schaffen in weitgehend gewaltlosen – nicht konfliktfreien! - Gesellschaften zu leben, hängt meines Erachtens maßgeblich davon ab, welche Menschenbilder, welche Geschlechterbilder und somit auch welche Männerbilder wir re-produzieren.


Die Entscheidung darüber, welche dieser Bilder wir stärken, wird sich dahingehend auswirken, was wir uns gegenseitig und somit auch unseren Kindern erzählen. Und diese Erzählungen werden die Form des sozialen Zusammenlebens in der Zukunft prägen.


Über alternative Geschlechterbilder können und sollen wir meinetwegen noch lange streiten. Als Haltung und unterstützenswerte Exitstrategie aus gewaltvollen Gefahrensituationen schlage ich fürs Erste vor: Kinder, Frauen und Männer zuerst bzw. alle Menschen, die das wollen. Jene, die das nicht wollen oder noch nicht können, die dürfen ja noch bleiben.

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